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Auf dem Weg zum Taylorismus 2.0?




Einen weiteren interessanten Blickwinkel auf die Entwicklung der Büroarbeit bietet die Betrachtung der Aspekte der Privatsphäre und der Individualisierung. So ist festzustellen, dass vor der Industrialisierung nur vereinzelt Bürotätigkeiten erledigt werden mussten und somit oft Einzelpersonen oder kleine Gruppen diese Arbeit bewältigten. In diesen frühen Arbeitszimmern ist ein vergleichsweise hohes Maß an Privatsphäre und auch Personalisierung der einzelnen Arbeitsplätze vorzufinden.

Zu Beginn der Industrialisierung setzt sich, wie zuvor bereits erwähnt, der Taylorismus durch und fabrikähnliche Arbeitsvorgänge prägen die Büroarbeit. Dabei werden viele Arbeiter dicht an dicht positioniert, was zur Folge hat, dass die Privatsphäre mit dieser Entwicklung drastisch reduziert wird. Zusätzlich ist es ein Charakteristikum des Taylorismus, dass eine permanente Überwachung durch den höhergestellten Arbeiter erfolgt, und somit visuelle Barrieren nicht vorgesehen sind. Diese Entwicklung verschärft sich sogar noch, als sich im Zuge der Weltwirtschaftskrise noch mehr Arbeiter auf engem Raum arrangieren mussten. An Privatsphäre oder eine Individualisierung des eigenen Arbeitsplatzes ist zu dieser Zeit nicht zu denken.

Erst mit dem Ende des 2.Weltkrieges entsteht ein höheres Verlangen nach sozialer Demokratie und mehr Eigeninitiative, was zu verschiedenen Änderungsansätzen führt. In Deutschland setzt sich zunächst die Idee der Bürolandschaft durch. Dieses System sieht eine Förderung der Teamarbeit vor und kann durch eine asymmetrische Anordnung und Pflanzen als Raumtrenner zumindest einen Zuwachs an Privatsphäre liefern. In den USA setzte sich hauptsächlich das Konzept der Cubicles durch, welche zwar im Sinne einer humanisierten Arbeitswelt entwickelt wurde, jedoch im Laufe der Jahre einen gegenteiligen Effekt hatte. Zwar können die kleinen Boxen ein gewisses Maß an Privatsphäre liefern, jedoch vermitteln sie auch das Gefühl einer Legebatterie, die die Kommunikation hemmt und zudem wenig Licht und frische Luft durchlässt. So wird in diesem Fall die neu hinzugewonnene Privatsphäre eher negativ wahrgenommen.

Erst in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts werden diese strengen Strukturen wieder gelockert. In Europa setzt sich vermehrt das Kombibüro durch, welches durch viele Einzelbüros auch ein hohes Maß an Privatsphäre generiert. In Amerika hält sich das Cubicle-System hartnäckig und man kann eine Entspannung erst mit der Verbreitung der Home Office Idee und flexibleren Arbeitszeitmodellen beobachten. So kann man für die Zeit um die Jahrtausendwende festhalten, dass eine Tendenz zu mehr Privatsphäre zu erkennen ist und durch die Möglichkeit zu Hause zu arbeiten auch ein individualisiertes Umfeld vorzufinden ist. Diese Tendenz setzt sich fort und so kann man in den Folgejahren beobachten, dass Co-Working Spaces und Shared-Desk Konzepte entstehen, die dafür sorgen, dass permanente Arbeitsplätze an Bedeutung verlieren. Inspiriert durch verschiedene Silicon Valley Unternehmen findet man zudem immer häufiger Arbeitsumgebungen, die wieder große offene Flächen nutzen, aber im Gegensatz zu den vorangegangen Großraumbüros zusätzlich Rückzugsmöglichkeiten und wohnliche Elemente mit eingeplant werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass es keine personalisierten Arbeitsplätze mehr gibt und ein individuell personalisierter Arbeitsplatz nicht mehr vorgesehen ist.

Hier ist nun festzustellen, dass durch die Möglichkeit, sich in Rückzugsorte zurückzuziehen oder an Orten außerhalb des Büros zu arbeiten ein zumindest temporär erhöhtes Maß an Privatsphäre zu erreichen ist. Jedoch geht dadurch auch gleichzeitig die Individualisierung des Arbeitsplatzes verloren und es bleibt zu prüfen, ob die allmorgentliche Suche nach einem Arbeitsplatz der Produktivität zuträglich ist oder ob sich ein Bedürfnis nach einem persönlichen Bereich einstellt, der zum einen Zugehörigkeit zum Unternehmen vermittelt und zum anderen den Eindruck abschwächt ein nur zu leicht zu ersetzendes Rädchen im Unternehmensgetriebe zu sein.

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