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Die Betrachtung der verschiedenen Entwicklungsstränge Deutschland, USA und Japan hat gezeigt, dass sich bestimmte Erfindungen und geschichtliche Ereignisse disruptiv auf die Gestaltung und Nutzung von Büroumgebungen ausgewirkt haben. Beispielsweise hatte die Weltwirtschaftskrise in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts besonders in den USA und Deutschland zur Folge, dass man versuchte, mehr Personal auf geringem Raum unterzubringen, um so die Kosten für die Bürofläche gering zu halten und gleichzeitig den Arbeitsoutput zu erhöhen. Ähnlich verhält es sich mit der großen asiatischen Wirtschaftskrise in den späten 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Auf Grund der kulturellen Prägung kam in diesem Fall jedoch hinzu, dass unverhältnismäßig lange Arbeitstage eine zusätzliche Belastung für die japanischen Arbeitnehmer darstellten und sich auf diese Weise tragische Todesfälle häuften.

In der Zeit nach dem 2.Weltkrieg kann man feststellen, dass sowohl im westlichen Kulturraum als auch im von uns beleuchteten Japan eine parallele Entwicklung stattgefunden hat. So war es auffällig, dass im gleichen Zeitraum zum einen die strengen fabrikähnlichen Bürosysteme langsam aufgelöst wurden und zum anderen damit begonnen wurde, Kommunikation und Teamgeist zu fördern. Dies war auch die Zeit, in der sich in Japan zusätzlich die streng hierarchischen Strukturen lockerten und vermehrt auch Frauen eingestellt wurden. Gleichermaßen kann man jedoch auch beobachten, dass mit der Verbreitung der Großraumbüros weltweit auch mit denselben Problemen umgegangen werden musste. Dies war im Besonderen die gestiegene Lautstärke in den Büros, sowie der nach wie vor vorherrschende Mangel an Privatsphäre.

Genauso wie geschichtliche Phänomene die Entwicklung in den Büros entscheidend beeinflusst haben, brachten auch bestimmte Erfindungen grundlegende Veränderungen in der Bürowelt herbei. Beispielsweise sorgte die Erfindung und Etablierung der Schreibmaschine zu Beginn des 20. Jahrhunderts dafür, dass vermehrt auch Frauen in Büros eingestellt wurden. Dies wiederum hatte zur Folge, dass sich die Umgangsformen in den Büros verbesserte und somit das Arbeitsklima vielerorts besser wurde. Die Elektrifizierung und die Erfindung der Klimaanlage ermöglichten die Nutzung von fensterlosen und schlecht belüfteten Räumen und begünstigten somit, je nach Sichtweise, eine effizientere Nutzung von Bürofläche oder die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer dieser Zeit.

Einen ebenso tiefgreifenden Effekt hatte die Verbreitung von PCs am Arbeitsplatz. Die Möglichkeit, Daten unbegrenzt vervielfältigen und anderen zugänglich machen zu können, beschleunigte die Arbeitsweise in Büros und veränderte die Bürosysteme weltweit. Als gegen Ende des 20. Jahrhunderts das Internet schnell und erschwinglich wurde, hatte es einen der bis dato wahrscheinlich elementarsten Einschnitte in die Entwicklung der Bürosysteme zur Folge. Zum einen hatte dies einen beschleunigenden Effekt auf die globalisierung der Märkte auf allen Ebenen und zum anderen ermöglichte dies, die Arbeit an Orte zu verlegen, die zuvor für Büroarbeit ungeeignet waren. So begann sich zu dieser Zeit das Konzept des Home Office vor allem in westlichen Kulturkreisen stark zu verbreiten. Desweiteren nahmen nun auch mehr und mehr Arbeitnehmer die Möglichkeit wahr, die Arbeit in Cafés oder andere öffentliche Orte zu verlegen. Gleichzeitig gab es jedoch auch Tendenzen, die gegenläufig geprägt waren. Genauso, wie Angestellte nun ihre Arbeit im privaten, wohnlichen Umfeld verrichteten, erhielten auch wohnliche Elemente, wie Sofas oder andere Einrichtungsgegenstände Einzug in die Büroräume. Der Aspekt des Wohlfühlens der einzelnen Individuen wurde nun als wichtiger Faktor erkannt, der zur Produktivität und Kreativität beiträgt und folglich auch den Unternehmenserfolg fördert.

Diese Entwicklung räumte den Arbeitnehmern ein zuvor nicht dagewesenes Maß an Flexibilität ein, welches es möglich machte, sich seine Arbeit in einem gewissen Rahmen zeitlich und örtlich flexibel einzuteilen. Feste Arbeitsplätze in den Büros waren dadurch nicht mehr zwingend notwendig und so hatte dies auch einen wirtschaftlichen Vorteil für die Unternehmen, da nicht mehr so viele Arbeitsplätze bereitgestellt werden mussten, wie es Angestellte gab. Diese Entwicklung führte in der jüngeren Vergangenheit auch zur Entstehung von Co-Working Spaces wie zum Beipiel Midori.so oder WeWork. Zunächst überwiegend von Selbstständigen genutzt, erkannten auch bald Angestellte und Unternehmen die Vorteile, die sich durch das Auslagern der Arbeitskräfte bietet. Neben der wirtschaftlichen Komponente, dass die Arbeitenden außerhalb des Büros ihrer Arbeit nachgehen können, kann auch die Möglichkeit des Networking innerhalb dieser Co-Working Communities einen erheblichen Mehrwert darstellen.






Aus dieser Betrachtung heraus und unter Berücksichtigung des interkulturellen Vergleichs haben wir verschiedene Schlagworte herausgearbeitet, deren nähere Betrachtung uns weiteren Aufschluss über die Erschließung interessanter Spannungsfelder geben kann. Für das weitere Vorgehen haben wir eine grobe Matrix aufgestellt, die anschaulich macht, inwiefern sich die Entwicklungen in den unterschiedlichen Kulturkreisen unterscheiden oder aber auch Parallelen aufweisen. Diese Feststellung interkultureller Differenzen und auf der anderen Seite ähnlicher Entwicklungen kann uns dabei helfen, herauszufiltern, unter welchen Gesichtspunkten es am vielversprechendsten ist, verschiedene Aspekte der Entwicklung näher zu Beleuchten.






Bei dem Vergleich der Entwicklungen in den verschiedenen Kulturräumen konnten wir, wie im oberen Abschnitt beschrieben viele Parallelen ausmachen, die sich über kulturelle Grenzen hinaus ausgeprägt haben. Was die Unterschiede in der Entwicklung angeht, waren im Besonderen die fünf in der Grafik gelb hervorgehobenen Bereiche auffällig.

  1. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sehen wir, dass zunächst in den USA der Bedarf an großen Büroflächen frühzeitig steigt. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung des Taylorismus, welcher eine fabrikähnliche Anordnung vorsieht und zunächst in den USA Anwendung findet. Zudem entstanden in den USA auch die ersten Hochhäuser, mit ganzen Büroetagen, wohingegen diese Entwicklung z.B. in Japan erst deutlich später einsetzt. Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise wurden die Prinzipien des Taylorismus auch in Deutschland vermehrt eingesetzt und auch in Japan kann man um die 30er Jahre herum beobachten, dass der Bedarf an Büroarbeitskräften zunimmt und damit auch die Büroflächen nach westlichem Vorbild wachsen.
  2. Während der Nachkriegszeit war sowohl in den USA als auch in Deutschland eine Tendenz zu vernehmen, dass sich die Bürogestaltung ändern wird. Zunächst setzte man offene Bürolandschaften nach deutschem Vorbild ein und förderte die Kommunikation in den Büros. Um der gesteigerten Lautstärke Herr zu werden und ein gewisses Maß an Privatsphäre zu erreichen setzte sich zu Beginn der 70er Jahre zunächst in den USA aber in der Folge auch in Deutschland das Konzept der Cubicles durch. Dieses hatte, wie die Geschichte zeigen wird, seine eigenen Tücken, jedoch bot es zu Beginn einen willkommen Lärmschutz und gewährleistete ein gewisses Maß an individueller Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitsplatzes und Privatsphäre.
    In Japan hingegen spielte die Privatsphäre des einzelnen zu dieser Zeit noch eine sehr untergeordnete Rolle. Hier positionierte man ungeachtet der psychischen und physiologischen Konsequenzen eine Vielzahl an Arbeitnehmern auf geringem Raum. Zwar spielte die Lautstärkeentwicklung auf Grund der kulturellen Prägung kein so große Rolle wie im westlichen Kulturkreis, jedoch stieg die Unzufriedenheit während dieser Zeit merklich.
  3. In den 90er Jahren kann man beobachten, dass im westlichen Kulturkreis durch die Einführung des Home Office und das Gestatten flexibler Arbeitszeiten die Zufriedenheit der Arbeitnehmer steigt. In Deutschland setzt sich das Kombibüro durch und in den Vereinigten Staaten von Amerika nimmt man vermehrt Abschied von dicht bebauten Cubicle Farms und unternimmt Anstrengungen, Büroumgebungen wohnlicher und einladender zu machen.
    In dieser Zeit erlebt Japan eine verheerende Wirtschaftskrise. Dies führt zu Arbeitsbedingungen, die keine Rücksicht auf das Wohlbefinden des Einzelnen nimmt und hatte somit zur Folge, dass die Arbeitnehmerzufriedenheit in dieser Zeit einen Tiefpunkt erreichte und somit in starkem Kontrast zur westlichen Entwicklung steht. 
  4. Entsprechend der Entwicklung bezüglich der Arbeitnehmerzufriedenheit fanden in dieser Zeit in Japan keine merklichen Unternehmungen statt, die besonderen Wert auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Arbeitnehmer legten. In Deutschland und in den USA kann man feststellen, dass durch die flexibleren Arbeitsbedingungen und das neu aufkommende Bewusstsein für gesundes Sitzen und Arbeiten eine Verbesserung stattfindet.
  5. Analog verhält es sich auch mit dem Thema Work-Life Balance. Während in den USA und Deutschland vermehrt großer Wert auf ein gewisses Maß an Work-Life Balance gelegt wird, befindet sich Japan in den 90er Jahren noch in einer Wirtschaftskrise. Erst spät, nachdem es zahlreiche Fälle von Tod durch Überarbeitung gegeben hatte, kann man sich in Japan zu einem Überdenken der Arbeitsbedingungen durchringen.

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