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Wie arbeiten Sie heute? - Interview #1



Eine Methode, die uns dabei hilft zu prüfen, inwiefern moderne Bürosysteme akzeptiert werden oder ob es Situationen gibt, in denen Unzulänglichkeiten und Nachteile entstehen, ist das Gespräch mit Nutzern und die Beobachtung der Arbeitsumgebung und -abläufe.


Wir hatten die Gelegenheit mit einer Person zu sprechen, die bei einer modern ausgestatteten Unternehmensberatung in Süddeutschland arbeitet. Unser Gesprächspartner war Herr C. männlich, Mitte Zwanzig und ist seit 2 Jahren im Unternehmen. Ein Rundgang in den Büroräumen offenbarte, dass größtenteils Wechselarbeitsplätze in einem großen Raum für die Mitarbeiter vorgesehen waren und vereinzelt kleinere Räume vorzufinden waren, die sowohl Einzelarbeitstische als auch Meetingräume beherbergten. Dieses Unternehmen fördert zum einen das Home Office und zum anderen ist es verpflichtend seinen Arbeitsplatz im Voraus zu buchen.

Im folgenden ein Auszug aus unserem Gespräch:

aroma_ID: Wie funktioniert die Vorausbuchung eines Arbeitsplatzes?
Herr C.: Buchung über eine Handy App weltweit möglich. Vor dem Buchungsprozess kann eingesehen werden wer die Plätze daneben für die entsprechende Zeit gebucht hat.

aroma_ID: Wie sehen Problematiken aus die im Zusammenhang mit der Nutzung des Buchungssystems der Räume und Plätze entstehen?
Herr C.: Gerade an Freitagen kommt es häufig zu Überbelegungen, weil hier die meisten im Büro arbeiten. Man sollte ca. 1 Woche vorher einen Platz buchen, um noch einen zu bekommen. Hier ist eine Büroauslastung von 97% über das ganze Jahr. Mitarbeiter müssen teilweise am Gang sitzen und auf einen freien Platz warten. Es gibt auch Wartelisten für Buchungen, in der man nach vorne rutschen kann. Teilweise werden auch ungenutzte Gruppenräume in Einzelarbeitsplätze eingeteilt und so „aufgemacht“ für die Angestellten, um mehr Plätze zu schaffen.

aroma_ID: Was passiert wenn der Platz gebucht aber nicht Genutzt wird?
Herr C.: Es gibt interne Projektbudgets mit dem ein Gruppen – oder Konferenzraum intern gebucht und bezahlt werden muss, wodurch die Buchung ohne Nutzung eigentlich nicht vorkommt.
Man muss seinen gebuchten Platz innerhalb einer Stunde aufsuchen sonst verfällt die Reservierung.

aroma_ID: Wie flexibel sind die Arbeitszeiten wirklich?
Herr C.: Es gibt völlig flexible Arbeitszeiten, sogar ohne Kernarbeitszeit. Die Arbeitszeiten müssen trotzdem oft mit den Kunden oder den Mitarbeitern abgestimmt werden. Und es gibt auch Vorgaben durch festgelegte Meetings oder Konferenztermine.

aroma_ID: Wie schätzen Sie diese Art der zeitlichen Flexibilität ein? Wird diese Überschneidung von Arbeitszeit und Freizeit eher als Fluch oder Segen wahrgenommen?
Herr C.: Tatsächlich sind viele Mitarbeiter eigentlich immer erreichbar, da man keinen festen Schreibtisch mehr hat und seine Arbeitssachen, wie Laptops oder Handy auch zum Teil privat genutzt werden dürfen. Dennoch ist eine der wichtigsten Regeln ist hier, dass definitiv Rücksicht auf das Privatleben genommen wird und jegliche Störungen des Privatlebens gerade am Wochenende vermieden wird. Beispielsweise wird hier auf die Verfügbarkeit bzw. den Onlinestatus z.B. in Skype geachtet und davon abhängig dann ein Anruf gemacht oder nicht.Grundsätzlich sehe ich die große Flexibilität sehr positiv.

aroma_ID: Wir sieht bei so hoher Flexibilität die Zusammenarbeit mit den Kollegen im Büro aus?
Herr C.: Wir werden meistens in Arbeitsgruppen eingeteilt. Dabei ist es so, dass viele gar nicht ins Büro kommen und andere zu den immer wiederkehrenden Gesichtern gehören. Es gibt sogar einige Gewohnheitstiere, die sich immer den gleichen Platz buchen.

aroma_ID: Sie arbeiten hier in einem offenem Büroraum. Würden Sie eine solche Arbeitsumgebung einem geschlossenen Grundriss vorziehen?
Herr C.: Ja, da es hier zu viel effizienterer Kommunikation kommt. Die Einzelräume werden hier vor allem als Besprechungsräume und nicht zum alleine vor sich hin arbeiten genutzt.

aroma_ID: Wie ist der Geräuschpegel während der Arbeit einzuschätzen?
Herr C.: Der Geräuschpegel ist sehr angenehm, da gerade für Anrufe die „Telefonzellen“ genutzt werden.

aroma_ID: Wir haben hier auch spezielle Relaxzonen gesehen. Wie werden diese genutzt?
Herr C.: Die werden vor allem als Abwechslung zum Arbeitsumfeld genutzt. In der Regel wird hier aber trotzdem gearbeitet, oft aber im Sinne von Telefonkonferenzen.

aroma_ID: Hätten sie lieber einen eigenen festen Schreibtisch ?
Herr C.: Eigentlich nicht, da man durch die ständige Veränderung quasi gezwungen ist, seine Sachen immer dabei zu haben. Dadurch wird die Flexibilität weiter gefördert, da man auch spontan unterwegs in ein Café gehen könnte, um dort zu arbeiten. Des Weiteren ist man nahezu Papierlos und es kommt auch nicht zu einer Vermüllung des Arbeitsplatzes.

aroma_ID: Wie sind die Hierarchien hier ausgeprägt? Gibt es beispielsweise ein Vorrecht für höhergestellte Mitarbeiter.
Herr C.: Was die Kommunikation betrifft läuft hier alles absolut auf Augenhöhe ab. Alle duzen sich und sprechen sich mit Vornamen an. Ein Vorrecht gibt es nicht, da die Buchungen nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, malt zuerst“ ablaufen.

aroma_ID: Vereinzelt beobachtet man, dass das Home Office von manchen Unternehmen, wie IBM zum Beispiel, eingeschränkt wird und wieder mehr Wert auf Anwesenheit im Büro gelegt wird. Wie wird das hier gehandhabt?
Herr C.: Bei uns wird immer noch stark die Flexibilität gefördert. Genauso verhält es sich mit dem Arbeiten im Home Office.

aroma_ID: Wie ist die Effizienz der Arbeit im Home Office im Vergleich zur Arbeit im Büro einzuschätzen?
Herr C.: Zwischen dem Home Office und dem Unternehmensbüro sehe ich keinen Unterschied. Andere Büros mit typischen Einzelzimmern finde ich deutlich ineffizienter, da man dort alleine vor sich hin „vegetiert“. Was die Arbeitszeiten betrifft arbeite ich sogar tendenziell mehr, da die Zeit, die sonst für den Weg in das Unternehmen genutzt wird, jetzt im Home Office als Arbeitszeit genutzt wird. Die Pausen werden dabei meist normal eingehalten.

aroma_ID: Wie wirkt sich die Nutzung des Home Office auf die soziale Anbindung mit den Kollegen aus?
Herr C.: Die soziale Anbindung ist durch das Home Office natürlich sehr schlecht. Daher gehe ich auch regelmäßig ins Unternehmensbüro, obwohl ich eigentlich von zu Hause aus arbeiten könnte.


Wie unser Interview mit Herrn C. zeigt, wird die Flexibilität in einer solch modernen Arbeitsumgebung sehr geschätzt und so erfreut sich auch das Home Office in diesem Unternehmen einer großen Beliebtheit. Allerdings können wir auch feststellen, dass die Nutzung eines Arbeitsplatzes im Büro einer gewissen Vorausplanung bedarf und zu Stoßzeiten auch ein Mangel an Arbeitstischen durchaus vorkommt. Obwohl erkannt wird, dass Nachteile durch die Verknappung der Arbeitstische entstehen und die soziale Komponente unter den Mitarbeitern durch ein solches System leidet, überwiegt bei Herrn C. die Wertschätzung für die genossene Flexibilität und die Möglichkeiten, die ein solches System bieten.



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